Das Duell der Felder

Wie aus einem Jux eine Idee wurde und alle etwas gelernt haben

Engter. Können Journalisten, die über Landwirtschaft berichten, Kartoffeln anbauen? Und können Landwirte eine Zeitung machen? Diese Fragen stellte sich Lars Reckermann, Chefredakteur der Nordwest-Zeitung (NWZ), als er vor drei Jahren über einen „Tag des offenen Hofes“ berichten wollte. Über einen Jux, der zur Idee wurde und dann schließlich zu einem „Duell der Felder“ berichtete Reckermann am vergangenen Dienstagabend auf einer Veranstaltung der Landfrauen Bramsche in Engter.

Ein junger Landwirt von den „Junglandwirten Oldenburg“ hatte dem Chefredakteur mit den Worten „Ihr habt sowieso keine Ahnung“ klipp und klar Kenntnis über Landwirtschaft abgesprochen und außerdem die Ansicht vertreten, so schwer könne es doch wohl nicht sein, ein bisschen für eine Zeitung zu schreiben. Das sei locker daher gesagt gewesen, so Reckermann, und genauso locker habe er selbst behauptet, dass er selbstverständlich in der Lage sei, eine Feldfrucht anzubauen.

Ein Scherz also. Lars Reckermann nahm aber die Äußerung des Junglandwirts als Herausforderung. Es wurde ein Wettstreit daraus, den die Junglandwirte gegen das Journalistenteam der NWZ austragen wollten. Ein zwei Hektar großes Feld wurde je zu Hälfte von den Journalisten und den Junglandwirten bestellt und am Ende Bilanz gezogen. Im Gegenzug sollten sich die Junglandwirte einen Tag lang als Redakteure behaupten und die Zeitung „machen“.

Sehr humorvoll schilderte Reckermann in seinem Vortrag, wie naiv er selbst an die Aufgabe herangegangen sei. Wie muss der Ackerboden vorbereitet werden? Wie kommen die Kartoffeln in die Erde? Wo und wie lagert man das Erntegut? All das seien Fragen gewesen, zu denen er sich vorab zu wenig Gedanken gemacht habe. Mit viel Enthusiasmus und Improvisation arbeitete er die  Aufgaben mit Unterstützung seiner Kollegen ab. Beim Düngen und beim Pflanzenschutz brauchte Reckermann allerdings die Unterstützung von Fachleute, da er selbst nicht den „Sachkundenachweis Pflanzenschutz“, den er für diese Maßnahmen braucht, vorweisen kann.

Aber: Ein eklatanter Fehler sei gewesen, den Kartoffelkäfer zu unterschätzen, gestand er. „Was macht schon so ein Käfer?“, habe er sich gesagt. Der Befall sei aber dann massiv gewesen, und ins benachbarte Feld der Junglandwirte seien die Tiere leider nicht abgewandert, denn die hatten ihre Pflanzen durch eine Behandlung geschützt. Den richtigen Termin zur Behandlung der Krautfäule habe er auch verpasst. Das habe sich natürlich auf den Ertrag ausgewirkt. Am Ende hatten die Journalisten 46,5 Tonnen Kartoffeln geerntet, die Junglandwirte 68,5 Tonnen. Nach Berechnung der  Kosten für Arbeitsstunden, Bodenbestellung und Pflanzenschutz habe er feststellen müssen, dass er, wäre der Kartoffelanbau sein Broterwerb, mit 3344 Euro Verlust ruiniert gewesen wäre. Die Junglandwirte mussten immerhin noch von ein Minus 388 Euro verbuchen.

Obwohl er das Duell auf dem Feld verloren hat, ist Reckermanns Fazit positiv. Das eigentliche Ergebnis sei, dass er Hochachtung vor Mutter Natur bekommen habe. „Ich habe noch nie um Regen gebetet, aber dann…“ fügte er hinzu. Außerdem habe er Respekt vor den Menschen, die, ohne mit festem Geld rechnen zu können, ihren Lebensunterhalt verdienen. Und: Die Begegnung habe neue Freundschaften gebracht. Seit der Aktion habe er übrigens immer Gummistiefel im Auto, erklärte er schmunzelnd.

Das „Duell der Felder“ hat die NWZ mit vielen Videos auf der Plattform youtube begleitet. Dort kann man sehen, mit wie viel Humor und Selbstironie der Redakteur und seine Kollegen die Aufgabe gemeistert haben. Die Zeitung habe von dem Format profitiert, so Reckermann. Es werde jetzt mehr über Landwirtschaft berichtet, und unterschiedliche Meinungen werden gegenübergestellt.

Und wie haben sich die Junglandwirte bei ihrer Arbeit in der Redaktion der NWZ bewährt? Reckermann berichtete, dass sie die Zeit, die man für das Schreiben braucht, unterschätzt hatten. Die geplanten Seiten seien jedenfalls nicht pünktlich fertig geworden, und auch die Beiträge seien zu knapp formuliert gewesen. Ein Bericht über die Begegnung mit einem politischen Vertreter in Hannover könne eben nicht mit „Es war alles sehr aufregend“ beschrieben werden. Die jungen Schreiber hätten schließlich begriffen, dass zur Zeitung mehr gehört als einfach ein bisschen zu schreiben.

Alles in allem haben die Beteiligten von dem Rollentausch profitiert. Sie seien miteinander ins Gespräch gekommen, hätten voneinander gelernt und Verständnis füreinander entwickelt, so Reckermann. Und das sei etwas, wovon die Debattierkultur in Deutschland profitieren könne.

Foto: Lars Reckermann, Chefredakteur der Nordwest-Zeitung, sprach bei den Landfrauen Bramsche über das „Duell der Felder“

Text: Dr. Sigrid Schüler
Bramscher Nachrichten/NOZ Medien 18.09.2019